Zweiter Tag der Tagung „Digital History & Citizen Science“ in Halle
In einem der ersten Seminare am Vormittag des zweiten Tages der Tagung „Digital History & Citizen Science“ in Halle stellte Georg Fertig zusammen mit Robert Pässler unter dem Titel „Forschungsdaten beim Verein für Computergenealogie“ eine Auswahl von 20 Projekten in Form von Plakaten vor. Er ordnete sie in fünf Gruppen, die durch verschiedene Farben gekennzeichnet sind.
Folgende Projekte tauchen in diesen Gruppen exemplarisch auf:
- Familienleben (Juden und Dissidenten, Leipziger Familien, Grabsteine, Ortsfamilienbücher, Kölner Sterbeurkunden)
- Kriege und Opfer (Verlustlisten Erster Weltkrieg, Boxeraufstand, Verlustlisten Österreich-Ungarn)
- Lernen und Arbeiten (Laboratoriumsvorstände, Hochschulschriften, Hörerlisten Greifswald, Bergbaubeschäftigte, Fotostudios)
- Verbrechen und Repression (Gauner und Vagabunden, Communisten-Verschwörung)
- Wohnen und Reisen (Automobil-Adreßbuch 1909, Obererzgebirge, Emigranten Shanghai, Geschichtliches Ortsverzeichnis, Ibbekens Adressbuch von Schleswig Holstein)
In einem großen Lupenkreis werden jeweils Personen als Blickfang vor einer der bearbeiteten Urkunden oder Büchern neben einem erläuternden Text abgebildet. Ein QR-Code führte zum jeweiligen Projekt. Auf Plakaten und Aufstellern wurde auf die Ausstellung (siehe Beitragsbild) aufmerksam gemacht. Zusätzlich sind die Projekte in einer Broschüre zusammengestellt. Sie fand große Aufmerksamkeit bei den Tagungsteilnehmern.
Wolfgang Fahl erläuterte sein Konzept zur Genealogieinformatik und Mikrogeschichte. Es ist eine Weiterentwicklung von Gedbas4all von Jesper Zedlitz als Personendatenstrategie des Vereins für Computergenealogie. Fahl wendet die Semantik (= Klärung der Bedeutung von Objekten) in der Genealogie an. Einige Beispiele für Suchanfragen sind hier nachzuvollziehen.
Citizen Science war ein Hauptthema des Tages
Moritz Müller präsentierte die Aktion „mit:forschen! Gemeinsam Wissen schaffen“. Hier sind 290 Projekte gelistet, darunter einige des Vereins für Computergenealogie (CompGen): Geschichtliches Ortsverzeichnis GOV, Daten-Eingabe-System DES, Grabstein-Dokumentationen, Bergbaubeschäftigte, Dresdener Totengedenkbuch 1914–1918 und Hallesche Heiratsgeschichten. Projekte aus der Biologie und den Naturwissenschaft sind in der Überzahl mit 52 Prozent, 28 Prozent kommen aus den Geistes- und Kulturwissenschaften, wozu auch die Genealogie-Projekte gehören. Müller wies auf das nächste Forum Citizen Science 2024 am 9. und 10. Oktober 2024 in Hamburg hin, eine gute Gelegenheit, sich zu informieren.
Alexander Schatek stellte das Projekt „Meine Topothek – mein Online-Archiv“ vor. Viele Projekte aus Österreich und den Nachbarländern sind in diesem Portal vereinigt, darunter auch das vom Horst Reinhardt initiierte Topothek von „Altes Köln“. Die Projekte wurden angeregt von ICARUS aus Wien, dem International Center for Archival Research, das durch den stellvertretenden Vorsitzenden Zarko Vujosevic und den Generalsekretär Thomas Aigner bei der Tagung vertreten wird.
Nina Zellerhoff und Daniel Burckhardt vom Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam präsentieren nach der Mittagspause ihr Projekt „Hachschara als Erinnerungsort “. Das Projekt speist sich vielfach auch aus Beiträgen der Heimat- und Familienforschung und nutzt daneben auch CompGen-Datenbanken wie das Geschichtliche Ortsverzeichnis (GOV) und die Online Ortsfamilienbücher (OFB). Im Projektverlauf wird es vor allem beim Personenlexikon weitere Beteiligungsmöglichkeiten für Citizen Scientists geben. Mehr Projekte zur deutsch-jüdischen Geschichte gibt es auf dem Portal Jüdische Geschichte online.
Harald Müller-Baur stellte Entwicklung, Funktionen und Kennzahlen des 2013 gegründeten Kirchenbuchportals Archion vor. Neben den Digitalisaten von Kirchenbüchern bietet Archion auch Platz für Beiträge aus der Familienforschung, den sogenannten User-generated content (UGC), z. B. in Form von Inhaltsübersichten, Indexen oder Transkriptionen. Das Archion-Forum ist inzwischen eines der größten Genealogie-Foren. Die anschließende Fragerunde wurde ausgesprochen zahlreich und teils auch kritisch genutzt.
Die Genealogiesoftware Heredis war mit ihrem Informationsstand und einer Präsentation vertreten. Auch FamilySearch wurde von Thomas Hengst als Globale Citizen Science im Bereich der Genealogie vorgestellt.
Ein Highlight des Tages war die Projektarena, in der sich alle teilnehmenden Projekte präsentierten und Raum für tiefergehende Fragen, Austausch und Vernetzung geboten wurde. Am Abend war das Büffet im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle für die Teilnehmer gedeckt – mit Gelegenheit zum kostenlosen Besuch der Ausstellung u.a. mit der Himmelsscheibe von Nebra gegeben.