„An den Gräbern wird die Geschichte lebendig“
Unser Autor Sven Müller hat sich bereits zwischen 2018 und 2020 länger mit dem Grabstein-Projekt des Vereins für Computergenealogie beschäftigt. Er hat historische Friedhöfe in der Tschechischen Republik in Weseritz, Plan und Umgebung im Egerland besucht. Daraus hat er eine Dokumentation historischer Friedhöfe in der Tschechischen Republik erstellt. Hier sein Bericht:
Warum die Friedhöfe in der Tschechischen Republik dokumentieren?
Vor vielen Jahren habe ich damit begonnen, die Geschichte meiner Familie mütterlicherseits – der Holdschicks aus Weseritz – zu erkunden. Neben Archiven und Verwaltungen besuchte ich auch Friedhöfe in der Umgebung. Die Atmosphäre auf einigen von ihnen nahm mich schnell gefangen. Teilweise waren die historischen Grabsteine zwar vollständig abgeräumt, zerstört oder umgesetzt worden, manche Friedhöfe hatten die Wirren der Nachkriegszeit aber weitgehend unberührt überstanden.
Während die Bevölkerung in den Städten und Dörfern des Egerlandes fast vollständig ausgetauscht wurde, blieben die Verstorbenen nach 1946 einfach auf diesen Friedhöfen liegen. Für die neuen Egerländer waren sie Fremde, ihre Gräber gerieten weitgehend in Vergessenheit. Baumwurzeln, Büsche und Efeu haben ihnen oft massiv zugesetzt. Noch stehen aber zahlreiche Grabsteine – eine wertvolle historische Erinnerung. Sie sind ein Spiegel ihrer Zeit, aber auch des Umgangs mit der gemeinsamen Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, während des Kommunismus und nach der Samtrevolution. Wäre es nicht ein Verlust, wenn sie allmählich und unbemerkt einfach verschwänden?
Beim Stöbern in der Datenbank des Grabstein-Projekts von CompGen fand ich bereits zahlreiche Eintragungen aus der Tschechischen Republik und nahm mir vor, sie um die Friedhöfe aus den Regionen Weseritz und Plan zu ergänzen. Ausgestattet mit meiner Kamera, einer Gartenschere, einer Wurzelbürste, einer Wasserflasche und einem Putztuch besuchte ich insgesamt 43 Friedhöfe im westböhmischen Egerland. Die Arbeit ähnelte insbesondere im Sommer einem Aufenthalt im Dschungelcamp: Stechmücken, Kreuzspinnen, Bremsen, hüfthohe Brennnesseln und Kletten. Entstanden sind 5.400 Fotografien von schätzungsweise knapp halb so vielen Grabsteinen in ganz unterschiedlichen Erhaltungszuständen.
Bild-Datenbank und Buchpublikation zu den Friedhöfen
Dort im Egerland verbringe ich jedes Jahr einige Urlaubstage in der Herkunftsregion meiner mütterlichen Vorfahren. Neben den Eintragungen in der Datenbank und der Veröffentlichung sämtlicher Grabsteinfotos in hoher Auflösung auf meiner Website ist aus dem Projekt eine kleine, zweisprachige Publikation entstanden (deutsch/tschechisch). „Historische Friedhöfe in Weseritz, Plan und Umgebung“ ist bei Books on Demand als Paperback und als E-Book erschienen. Sie kann direkt beim Verlag, aber auch ganz regulär im Buchhandel bestellt werden.
Zumeist handelt es sich weder um Gräber sonderlich prominenter Verstorbener, noch um kunsthistorisch außergewöhnliche Grabsteine. Bei der Verteilung knapper Gelder für die Renovierung bleiben solch unspektakuläre Dorffriedhöfe häufig unberücksichtigt. Umso mehr würde ich mich freuen, wenn die Broschüre und die Fotos dazu beitragen könnten, genauer auf die Friedhöfe rund um Weseritz und Plan zu schauen und sie als Orte der Erinnerung zu bewahren. Auch ist es mir ein Anliegen, zu zeigen, dass sich bereits viele Initiativen für ihren Erhalt einsetzen, die fortzuführen aller Mühen wert sind. In einem Interview des deutschsprachigen Senders Radio Prag wird das Anliegen persönlich erläutert.
Sven Müller
(Berlin)