Mitten im Leben: Das Deutsche Tagebucharchiv in Emmendingen
Ich will versuchen, so genau wie ich kann alles das aufzuschreiben, was ich bisher erlebt, gedacht und empfunden habe. Vielleicht hat dieses kleine Tagebuch noch den Zweck, dass ich mir über alles so recht klar werde.
Ein junges Mädchen schreibt diese Sätze am 2. Juli 1870 in ihr Tagebuch. Erhalten ist es – und mit ihm die Gedanken dieses vor 150 Jahren lebenden Menschen – im Deutschen Tagebucharchiv.
1998 gegründet, bewahrt das Tagebucharchiv heute an seinem Standort in Emmendingen knapp 16.000 Tagebücher, über 190.000 Einzelbriefe und weitere Dokumente, die überwiegend seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind. Zahlen und Fakten sind auf der Website des Archivs anschaulich aufbereitet, z. B. die geografische und zeitliche Verteilung und thematischen Schwerpunkte der Dokumente.
Der Wert solcher Selbstzeugnisse muss Familienforscherinnen und -forschern nicht erklärt werden, er ist aber auch in der Geschichtswissenschaft und anderen historisch arbeitenden Geisteswissenschaften unbestritten. Wie breit das thematische Spektrum ist, zeigt die Auswahl an Recherchethemen auf der Website des Tagebucharchivs.
Träger des Archivs ist ein gemeinnütziger Verein mit derzeit circa 600 Mitgliedern. Es finanziert sich vorwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Zuwendungen von öffentlichen und privaten Einrichtungen. Eine Dauerfinanzierung ist bisher – leider – nicht gewährleistet. In der mit zwei Personen besetzten Geschäftsstelle wird die Arbeit von etwa 100 ehrenamtlich Mitarbeitenden koordiniert.
Im Ergebnis dieser Arbeit sind die Dokumente gesichert und erschlossen. Die aktuellen Möglichkeiten der Online-Recherche werden auf der Website beschrieben. Hinsichtlich möglicher Online-Nutzungen ist daran zu erinnern, dass es sich bei Tagebüchern um sehr persönliche Unterlagen handelt, deren Nutzung nur unter Achtung des Datenschutzes auch Dritter (in den Büchern vorkommender Personen) erfolgen kann. Das Archiv erhält weitere Zugänge, aber Achtung: Es wird um Kontaktaufnahme VOR einer Zusendung von Dokumenten gebeten.
“Ziel des coronarchivs ist es, dafür zu sorgen, dass die Überlieferung […] so vielfältig und facettenreich sein wird, wie wir und unsere Lebenssituationen im Moment.” Diese aktuelle Formulierung auf der Website des Online-Projektes Coronarchiv kann auch auf das Deutsche Tagebucharchiv übertragen werden. Es sorgt für eine Überlieferung “mitten im Leben” – auch wenn sich dieses Leben vor 150 Jahren abspielte. Damit ist es eine wichtige Bereicherung der deutschen Archivlandschaft!