Langlebigkeitsforschung mit Blauen Zonen – alles falsch?
Als „Blaue Zonen“ werden in der Langlebigkeitsforschung Regionen bezeichnet, in denen besonders viele sehr alte Menschen (über 100 Jahre alt) leben. Dazu zählen u.a. die Inseln Okinawa und Sardinien. Die Forschung interessiert sich seit langem für diese Orte, um herauszufinden, warum Menschen dort länger leben als anderswo. Der diesjährige Träger des Ig-Nobelpreises für Demographie, Saul Justin Newman, sagt jedoch: Das ist alles falsch.
Wer sich mit Familien- und Ahnenforschung beschäftigt weiß zwei Dinge: Alle Menschen müssen sterben, und Ahnenforschung ohne Quellen ist Mythologie. Wie steht es in der Langlebigkeitsforschung? Zwar gilt auch dort, dass alle Menschen sterben müssen, aber es ist unklar, wann das spätestens passiert. Die Langlebigkeitsforschung hat eine Reihe von geografischen Orten ausgemacht, in denen besonders viele Menschen über 100 Jahre alt werden. Zu diesen Orten zählen Loma Linda (USA), Nicoya (Costa Rica), Sardinien (Italien), Ikaria (Griechenland) und Okinawa (Japan). Ziel der Forschung war stets, herauszufinden, was die Menschen an diesen Orten gemeinsam haben, was anderen Menschen fehlt.
Saul Justin Newman, der an der Universität Oxford und am University College London forscht, beschäftigt sich seit längerem mit Datenproblemen in der Langlebigkeitsforschung und ist dabei auf kuriose Fälle gestoßen. In Okinawa leben offenbar die meisten Hundertjährigen in den Regionen, in denen im Zweiten Weltkrieg Bombardements die Standesämter zerstörten. In Großbritannien, wo es keine Blauen Zonen gibt, leben die meisten Hundertjährigen dort, wo es die wenigsten 90-Jährigen gibt – das ist äußerst unplausibel. Weltweit betrachtet leben die meisten Hundertjährigen in Regionen, in denen Rentenbetrug besonders einfach ist, wird aus der Betrachtung von Newmans Forschung erkennbar.
Rentenbetrug und schlechte Nachweise
Immer wieder ergeben staatliche Erhebungen, dass viele angeblich extrem alte Menschen teils seit Jahrzehnten tot sind und die Nachkommen lediglich weiter die Rente kassieren. Andere sind verzogen oder ihre Geburtsdaten wurden falsch notiert. Das gilt sowohl für Japan als auch für Griechenland. Die Frage ist also: Sind die Blauen Zonen nur Hokuspokus und ein Marketing-Gag, da es ein Unternehmen gibt, das aus diesen „Erkenntnissen” Kapital schlägt?
Der satirisch-seriöse Anti-Nobelpreis
Der diesjährige Ig-Nobelpreis für Demographie ging daher an Saul Justin Newman. Der Ig-Nobelpreis ist nicht mit dem „echten” Nobelpreis der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften zu verwechseln. Dieser Preis wird von der in Cambridge (USA) erscheinenden Zeitschrift Annals of Improbable Research verliehen und im Massachusetts Institute of Technology (MIT) überreicht und soll Menschen erst zum Schmunzeln und dann zum Nachdenken anregen. Trotz des satirischen Charakters würdigt der Ig-Nobelpreis jedoch seriöse wissenschaftliche Forschung.
Es zeigt sich einmal mehr, dass nichts über gute Quellen geht – in der Genealogie wie in der akademischen Forschung!