NRW-Entnazifizierungsakten: Stillstand bei der Online-Stellung
Es kam überraschend und war ein archivalischer Paukenschlag: Ende August 2023 stellte das Landesarchiv NRW rund 610.000 Akten aus der Entnazifizierung zwischen Rhein und Weser online – und übernahm damit eine bundesweite Vorreiterrolle, wie im CompGen-Blog berichtet wurde. Nicht nur die Tatsache der Veröffentlichung begeisterte die genealogische „Gemeinde“, sondern auch der Umfang des Materials. Die Akten können je nach Schwere der vor den Spruchkammern verhandelten Fälle 100 Seiten oder mehr umfassen. Dieser ersten Tranche sollte nach einem Jahr – also jetzt – der Rest folgen. Das erbrachte eine damalige Anfrage bei der Projektleitung. Doch nach einer erneuten Auskunft, eingeholt für die Tagung „Digital History und Citizen Science“ in Halle/Saale, steht nun fest: Das Mammut-Projekt „hängt“.
Bisher fehlen Akten aus den Regierungsbezirk Köln und Detmold
Die 2023 veröffentlichten Unterlagen umfassen die komplette Überlieferung der Entnazifizierungs-Ausschüsse der Regierungsbezirke Düsseldorf und Münster, zudem einen großen Teil derjenigen aus dem Regierungsbezirk Köln (eine detaillierte Liste gibt es hier). Insgesamt dürften die erste „Lieferung“ etwa 60 Prozent dieser Akten ausmachen, die in NRW – anders als in anderen Bundesländern – zentral gelagert werden. In Bezug auf den Rest bittet das Landesarchiv die Interessierten nun um Geduld.
Gründe für die Verzögerung
Die Gründe seien zweifach: Zum einen habe das Land NRW im Sommer 2023 die Landesinitiative Substanzerhalt aus rechtlichen Gründen nicht mehr finanziert, heißt es aus Duisburg. Aus diesem Fördertopf seien die Entnazifizierungsunterlagen bis dahin für die Digitalisierung vorbereitet worden. Der zweite Grund der Verzögerung: Der für die technische Abwicklung (Scannen) zuständige Dienstleister habe Insolvenz angemeldet; die Arbeiten mussten daher neu ausgeschrieben werden. Wer sich mit Behörden auskennt, weiß, dass das nach einem starren Verfahren erfolgt – und mit entsprechender Dauer. Die gute Nachricht in der schlechten: „Es soll dann nächstes Jahr weitergehen“, heißt es in der Mail vom Rhein.
Darauf hoffen vor allem die Ostwestfalen, denn das Projekt startete – nicht als erstes – „links“ auf der NRW-Landkarte, sprich: im Westen. Wer sein Forschungsgebiet in Detmold und nicht in Düsseldorf hat, wartet also anderthalb oder gar zwei Jahre länger als die Forscherkollegen.
Thomas Bauer, Universität Münster
Bei der Tagung „Digital History – Citizen Science” in Halle (Saale) sprach der Autor in einem Seminar über: „Wie „braun” waren Opa und Oma? – Gängige und versteckte Quellen zur Erforschung der Familiengeschichte in der NS-Zeit”