Jüdische Grabsteine in Muiderberg/NL werden mit Drohnen aufgespürt
Auf dem größten jüdischen Friedhof der Niederlande im kleinen niederländischen Dorf Muiderberg, zirka 20 Kilometer südöstlich von Amsterdam, wird das älteste Grabfeld mit modernster Drohnentechnik untersucht und die Grabsteine aufgespürt. Der Friedhof wurde 1642 von deutschen aschkenasische Juden der Amsterdamer Gemeinde begründet. Er ist eine wichtige Informationsquelle für die Frühgeschichte der vor und während des Dreißigjährigen Krieges ausgewanderten Juden. In den letzten Jahrzehnten war dieses vernachlässigte Feld von Bäumen und Sträuchern überwuchert worden.
Muiderberg-Projekt
Das Projekt zur Erfassung der Grabsteine wird wissenschaftlich von Bart Wallet, Professor für Jüdische Studien an der Universität Amsterdam, und Leo Smole, Kulturerbe-Berater der Gemeinde Arnheim, begleitet. Zusammen mit dem 4D Research Lab der Universität Amsterdam und weiteren Wissenschaftlern wurde modernste Luftaufklärungstechnik mit Polizei-Drohnen angewandt. Multispektral- und Wärmebildkameras und ein Laserscanner kamen zum Einsatz. Hochauflösende Fotos und ein Reliefmodell des Friedhofs mit genauer Lage der Grabsteine und Gräber sind das Ergebnis. Außerdem konnten Wärmeunterschiede im Boden und der Gesundheitszustand der Pflanzen erkannt werden.
Ziel war, die Totenruhe möglichst wenig zu stören und das Gelände mit allem Respekt vor den Verstorbenen professionell von Sträuchern und Efeu zu befreien. Laubbäume bleiben stehen, werden aber von totem Geäst befreit. Erst danach kann das Feld am Boden untersucht werden. Die Funde werden inventarisiert, fotografiert, dokumentiert und für die weitere historische und genealogische Forschung in das „Archiv der Steine“ aufgenommen. Nach groben Schätzungen befinden sich zwischen 2.000 und 2.500 Grabsteine auf dem Feld. Früher waren viele Gräber mit hölzernen Grabsteinen versehen worden, die natürlich im Laufe der Jahre verfallen sind. Im Web zu sehen sind Fotos vom derzeitigen Zustand einzelner Grabsteinen.
Daten im Archiv der Steine
Die 2019 gegründete Stiftung „Het Stenen Archief“ (Archiv der Steine), über die hier im Blog des Vereins für Computergenealogie (CompGen) bereits berichtet wurde, wird die Daten in ihrer Datenbank speichern und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Verschiedene Stiftungen sowie die Niederländisch-Israelische Hauptsynagoge (NIHS) und die Niederländisch-Israelische Kirche (NIK) unterstützen das Projekt Muiderberg. Freiwillige Mitarbeiter und weitere Sponsoren werden gesucht.
Die Datenbank enthält Bilder und Daten von Grabsteinen auf 146 jüdischen Friedhöfen (von ca. 200) in den Niederlanden. Ein Team in den Niederlanden, Israel und England befasst sich weiterhin mit dem Fotografieren und Entziffern der niederländischen und hebräischen Texten auf den Grabsteinen. Enthalten ist auch eine große Zahl von jüngeren Grabsteinen auf einem der Felder in Muiderberg und von jüdischen Friedhöfen in London.
Der Gedanke, jüdische Friedhöfe in den Niederlanden zu fotografieren, zu digitalisieren und in einer Datenbank aufzunehmen, wurde bereits 2006 von einer Genealogengruppe in Israel aufgenommen. Der ursprüngliche Betreiber der Datenbank Amoetat Akevoth war eine Organisation mit Sitz in Israel am Forschungszentrum für das niederländische Judentum der Hebräischen Universität. Akevoth entwickelte sich zur umfangreichsten Datenbank für niederländische Juden mit Stammbäumen, die z.T. bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen. Da sich die israelische Gruppe aus Altersgründen aufgelöst hatte, hat „Het Stenen Archief“ die Aktivitäten und Bestände von Akevoth übernommen.
Auch die etwa 28.000 Daten von Grabsteinen des Friedhofs „Beth Haim“ in Oudekerk an der Amstel konnten eingefügt werden. Auf der Webseite ist außerdem ein Erinnerungsbuch der jüdischen Opfer aus Utrecht 1940–1945 von Hermann Meub mit umfangreichen genealogischen Informationen zu finden.