Wer übersetzt Sütterlin- bzw. Kurrent-Schriften?
In einem Onlinebeitrag des SPIEGEL beschäftigt sich Frank Patalong mit der Frage, wie man alte Familienbriefe lesen lernen kann, oder wer dabei hilft, die Sütterlin- bzw. Kurrent-Schriften der Großeltern zu entziffern. Wer Ahnen- und Familienforschung betreibt steht oft vor diesem Problem: Kirchenbücher und handgeschriebene Standesamtsurkunden sind in diesen Schriftarten geschrieben worden und für Ungeübte nur schwer zu lesen. Über Sütterlin ist in unserem CompGen-Blog bereits mehrfach geschrieben worden. Martin Munke aus Dresden gab in einem Zoom-Meeting im Februar 2022 Tipps zum Entziffern alter Schriften; der Vortrag ist online auf unserem YouTube-Kanal “CompGen-Forschungstipps” zu sehen.
Nicht alles ist in Sütterlin bzw. Kurrent geschrieben
Diese Schrift hat die Großelterngeneration in der Schule erst nach 1915 in Preußen gelernt, und auch das nur kurze Zeit bis 1941. Der Grafiker und Pädagoge Ludwig Sütterlin (1865–1917) hatte vom preußischen Kultusministerium den Auftrag bekommen, die lange Zeit mit der Gänsefeder geschriebene Kurrentschrift in eine vereinfachte Schrift umzuwandeln, die leichter mit der Stahlfeder und dem Füllfederhalter geschrieben werden kann. Davor gab es seit dem 16. Jahrhundert die deutsche Kurrentschrift und daneben die lateinische Kursiv-Schreibschrift, diese aber vor allem außerhalb des deutschen Sprachraums. Beide Schriftarten sind so genannte verbundene Schriften, d.h. die Buchstaben werden miteinander verknüpft – im Gegensatz zur Druckschrift, bei der die Worte aus einzelnen Lettern zusammengesetzt werden. In den in Sütterlin oder Kurrent geschriebenen Standesamtsurkunden gibt es oft die Besonderheit, dass die Personen- und Ortsnamen abweichend in der lateinischen Schreibschrift geschrieben wurden.
Wer hilft beim Lesen der alten Schriften?
Der SPIEGEL-Artikel macht Werbung für die Sütterlinstube Hamburg, die 2009 als gemeinnütziger Verein im Altenzentrum Ansgar im Hamburger Stadtteil Langenhorn gegründet wurde. Hier wird ein Kurs zum Erlernen der Sütterlin-Schrift und ehrenamtliche Unterstützung bei der Übertragung historischer Dokumente (gegen Spende) angeboten. Ähnliche Projekte sind auch in anderen Städten entstanden, eine Linkliste der Sütterlinstube zeigt u.a. eine Karte, auf der Partnerorganisationen aufgeführt sind sowie weitere Tipps und eine Sütterlinschrift zum Herunterladen für den eigenen Computer.
Wenn es weitere genealogische Gruppen oder Familienforscher:innen gibt, die zu Transkriptionen bereit sind, freuen wir uns über eine Mitteilung (als Antwort unter dem auf Discourse gespiegelten Blogbeitrag oder per E-Mail an news@genealogy.net).
Ein weiterer Tipp des Autors ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz mit Transkribus. Damit können bis zu 100 Seiten im Monat kostenlos „gelesen“ werden. Dazu lädt man die eingescannten Seiten hoch und erhält nach wenigen Sekunden die Transkription. Nicht immer fehlerfrei, aber doch lesbar.