DES-Projekt Hochschulschriften: Zuwachs mit Doktoringenieuren
Seit dem 6. Dezember 2021 läuft das DES-Projekt „Hochschulschriften“ des Vereins für Computergenealogie in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München (der CompGen-Blog berichtete). Nun erhält es Zuwachs durch ein Schwester-Projekt „Deutsche Doktoringenieure“, das den Katalog von ingenieurstechnischen Dissertationen indexiert.
Früher nahm man es noch ganz genau mit dem Unterschied zwischen Hochschulen und Universitäten. Im Jahr 1899 erhielt die Technische Hochschule Charlottenburg (heute: Technische Universität Berlin) anlässlich ihrer 100-Jahr-Feier vom deutschen Kaiser Wilhelm I. höchstpersönlich das Recht zur Vergabe von Doktortiteln. In das Privileg eingeschlossen waren auch die anderen Technischen Hochschulen in Preußen. Kurz darauf folgten die anderen deutschen Staaten mit Technischen Hochschulen. Innerhalb weniger Jahre durften nun alle Technischen Hochschulen im Deutschen Reich, von Aachen bis München, von Stuttgart bis Danzig, junge Männer zum „Doktor-Ingenieur“ promovieren.
Lange schon hatten sie zwar dafür gekämpft, aber vorbereitet waren weder die Hochschulen noch die Kultusbürokratie. Denn die neuen Doktoren der technischen Wissenschaften (so der Name dieses Grads) wurden nirgends bekannt gegeben! Das „Jahres-Verzeichnis der an den Deutschen Universitäten erschienenen Schriften“, das in unserem Projekt Hochschulschriften erfasst wird, behandelt offiziell nur Universitäten, also eine ganz bestimmte Gruppe von Hochschulen.
Publikation im Deutschen Reichsanzeiger
Darum wurden die Dissertationen der Technischen Hochschulen im „Deutschen Reichsanzeiger“ veröffentlicht. Dies ist kein reines Verkündungsblatt, wie man annehmen könnte, sondern eine amtliche Zeitung mit staatsbürgerlichen Nachrichten und Informationen. Gelegentlich finden wir darin mal kurze, mal lange Tabellen mit den Namen und biographischen sowie bibliographischen Informationen zum neuen Doktor-Ingenieur.
Erst ab Herbst 1910 tauchen die Dissertationen der Technischen Hochschulen im Jahres-Verzeichnis auf. Passenderweise änderte es in diesem Jahr seinen Namen und hieß fortan „Jahresverzeichnis der an den Deutschen Hochschulen erschienenen Schriften“.
Scans aus der Universitätsbibliothek Mannheim
Die Bibliothek der Universität Mannheim hat in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen alle Ausgaben des Reichsanzeigers digitalisiert. Zudem wurde der gesamte Inhalt einer Texterkennung unterzogen, was eine vollständige Durchsuchung aller Seiten ermöglicht.
In unserem neuen Projekt nutzen wir diese Daten der Universität Mannheim. Wir haben 132 Scans identifiziert, auf denen neue Doktor-Ingenieure verkündet werden. Diese werden nun in einem neuen Datenerfassungsprojekt bearbeitet: Freiwillige Helfer können die Einträge direkt von der Quelle abtippen.
Erfasst werden dabei auch genealogisch interessante, persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und -ort, Schulbildung und bisheriger Bildungsweg. Von wissenschaftlicher Seite interessieren uns natürlich auch die Titel und das Prädikat der Dissertationen. Die erfassten Daten werden später mit denen des Hauptprojekts verschmolzen.
Eine weitere „kleine Schwester“ ist bereits in Arbeit: Aus bisher unbekannten Gründen wurden die Dissertationen der Technischen Hochschulen in Bayern ab 1905 nicht mehr im Reichsanzeiger veröffentlicht. Stattdessen geschah dies im Verkündungsblatt des bayerischen Kultusministeriums. Da sich dadurch das Format vermutlich ändert, soll es dafür ein eigenes kleines DES-Projekt geben.
Wir freuen uns auf die Unterstützung vieler engagierter Freiwilliger, die helfen, dieses historische Erbe zu dokumentieren und zu bewahren, und die Wissenschaft von 1900 für die Wissenschaft von heute aufzubereiten! Die Editionsrichtlinien zu den Doktoringeneurpromotionen finden sich hier.