Münchener Aktion „Rückkehr der Namen“ erinnert an NS-Opfer
In einem groß angekündigten Erinnerungsprojekt unter dem Motto „Rückkehr der Namen“ wollten der Bayerische Rundfunk (BR) und das Kulturreferats der Landeshauptstadt München am 11. April 2024 an 1.000 Menschen erinnern, die während des NS-Regimes verfolgt und ermordet wurden.
Mit 1.000 Erinnerungstafeln stellten sich freiwillige Paten an den letzten Wirkungsstätten der Verfolgten und Ermordeten auf, um ihnen wieder einen Platz in der Stadt zu geben. Auf einer Webseite des Projektes finden sich Kurzbiographien der 1.000 NS-Opfer und die Standorte der Paten. Ein Video über die Veranstaltung des Bayerischen Rundfunks ist bis zum 19. April 2026 in der ARD-Mediathek zu sehen.
Fast 5.000 Menschen aus allen Generationen kamen zusammen, um gemeinsam den „Weg der Erinnerung“ vom Königsplatz zum Odeonsplatz zu gehen. Dort fand die Abschlussveranstaltung des Bayerischen Rundfunks und der Partner mit musikalischem Rahmenprogramm und Interviews mit Zeitzeugen und deren Nachfahren statt. Bei der Schlusskundgebung sprach auch der Shoah-Überlebende Ernst Grube (91), Präsident der Lagergemeinschaft Dachau. Er erwähnte u.a. auch die kommunistischen Verfolgten des NS-Regimes, zu denen Franz Stenzer (9.6.1900 – 22.8.1933) gehörte. Seine Enkelin Tatjana Trögel aus Brandenburg trug die Gedenktafel für ihren Großvater. In der evangelischen Versöhnungskirche hatte sie eine Ausstellung über das Schicksal von Franz Stenzer vorbereitet.
Mehr als 12.000 NS-Opfer im Raum München
Die Auswahl der 1.000 Opfer erfolgte durch das Kulturreferat München, Abteilung Public History, um den Historiker Dr. Andreas Heusler. Kriterien für die Auswahl waren die verschiedenen Opfergruppen mit Bezug zu München, aber auch zu Augsburg, Regensburg, Amberg und Würzburg Es sollten Fotos und biographischen Informationen vorhanden sein. Die Auswahl von nur 1.000 aus über 12.000 NS-Opfern im Raum München war aus organisatorischen und logistischen Gründen nötig. Die jüdischen Opfer der NS-Herrschaft München sind in einem online zugänglichen Gedenkbuch dokumentiert. Die notwendigen genealogischen Forschungen sind eine wichtige Aufgabe für die Familien- und Ahnenforschung. Ein Beispiel dafür ist auf den Seiten des Vereins für Computergenealogie (CompGen) die Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich.
Erinnerungstafeln statt Stolpersteine
In der Stadt München wird mit Stelen und Gedenktafeln an deren Wohn- und Arbeitsorten der Opfer der NS-Diktatur gedacht. Entworfen hat sie der Münchner Designer Kilian Stauss: Entweder etwa zwölf Zentimeter hohe und breite Wandtafeln aus vergoldetem Edelstahlblech, in die Buchstaben sowie rasterartige Porträts eingeätzt wurden, oder 1,80 Meter hohe Edelstahl-Stelen.
Während anderswo seit 1996 die Stolpersteine von dem Künstler Gunter Demnig verlegt werden, wurde in München über Stolpersteine jahrelang gestritten. Auf öffentlichem Boden hat die Stadt diese Form des Erinnerns verboten. Auf Privatgrund können die Eigentümer freilich selbst entscheiden, ob sie der Verlegung von Stolpersteinen zustimmen.
Der Stadtrat hatte sich bei seinem Nein auf die Ablehnung von Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München, gestützt. Die hält Stolpersteine für ein „unwürdiges Gedenken im Straßenschmutz“, bei dem die Namen jüdischer Opfer mit Füßen getreten würden. Terry Swartzberg von der „Initiative Stolpersteine für München“ sagt, dass Frau Knobloch kein Recht habe, sich anzumaßen, für alle jüdischen Mitbürger zu sprechen. Sogar Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist einer der größten Befürworter des Gedenkens durch Stolpersteine. Auch der Präsident der Lagergemeinschaft Dachau Ernst Grube ist Ehrenmitglied der Initiative.
Derzeit sind 276 Stolpersteine in München vor 59 Häusern und auf dem Gelände des Ägyptischen Museums verlegt. Unterstützung gibt es von 13 Opfergruppen, Parteien, der Liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom und vielen Bürgern. Am 26. Mai 2023 verlegte Demnig in Nürnberg den 100.000. Stolperstein.