Ein Riesen-Stammbaum auf der „Biennale“ in Venedig
Der indigene Künstler Archie Moore hat auf der 60. Biennale in Venedig auf den Wänden im Australien-Pavillon einen riesigen Stammbaum seiner Familie und Verwandtschaft gezeichnet. Das Werk mit dem Namen „Kith and Kin“ ist ein Mahnmal für die verlorenen Leben indigener Völker.
Zwei Monate lang hat Moore vor der Ausstellungseröffnung die akribisch erstellte Genealogie mit Kreide auf die schwarzen Wände gezeichnet. Bis auf die Decke des abgedunkelten Raums erstreckt sich das riesige Geflecht der Vorfahren und deren Familien über mehr als 2.000 Generationen. In diesem Werk geht es um tausende Jahre Geschichte der indigenen Bevölkerung Australien, aber auch um die gesamte Menschheit. Der Blick auf die Bilder lässt den Familien- und Ahnenforscher nicht unberührt.
In der Mitte des Raumes liegen über einem Wasserbecken auf einer weißen Tischplatte gestapelte Akten von hunderten Sterbefällen von indigenen Menschen, die in Polizeigewahrsam und Gefängnissen gestorben sind. Was in den Bundesstaaten und Territorien nicht gefunden wurde, ist mit leeren weißen Stapeln dargestellt. Das Wasserbecken zwingt den Besucher, sich darüber zu lehnen, um die Dokumente zu anzuschauen. Dabei sieht man sein eigenes Spiegelbild.
Grundlage für das Kunstwerk
Das Kunstwerk ist das Ergebnis umfangreicher Recherchen bei Ancestry, in Bibliotheken, Zeitungen, Tagebüchern von Hirten, Karten, Archiven, historischen Gesellschaften, der Datenbank Deaths Inside des Guardian Australia, Staatsarchiven und Gesprächen mit Familienmitgliedern.
„Der Ausdruck ‘kith and kin’ bedeutet heutzutage einfach ‘Freunde und Familie’, sagt Moore. Aber eine alte englische Definition aus dem Jahr 1300 zeigt, dass kith ‘Landsleute’ und auch ‘Heimatland’ bedeutet. Diese alte englische Bedeutung entspricht eher dem Verständnis der Ureinwohner von Verbundenheit mit Ort, Menschen und Zeit.“
Mit freundlicher Genehmigung von Guardian News & Media Ltd
Goldener Löwe für Archie Moore und Ellie Buttrose
Der Künstler Archie Moore und die Kuratorin Ellie Buttrose erhielten während der Biennale in Venedig am 20. April 2024 den Goldenen Löwen als Auszeichnung für den besten nationalen Pavillon. Die Auszeichnung für den besten Beitrag der Hauptausstellung ging an das Mataaho Collective aus Neuseeland. Diese Gruppe beschäftigt sich mit Handwerkstechniken der Māori und deren kultureller Identität. Der Australien-Pavillon ist noch bis zum 24. November 2024 zu sehen.
Die Herkunft von Archie Moore
Moore gehört zur Volksgruppe der Kamilaroi/Bigambul. Er wurde 1970 in Toowoomba, Queensland, Australien geboren. Seine Mutter ist eine Indigene, während der Vater britischer Abstammung ist. Die Gebiete der Kamilaroi, eine der vier größten indigenen Nationen in Australien, und Bigambul liegen in einem riesigen Gebiet nördlich von Sydney und westlich von Brisbane. Zu den Bigambul dürfen sich nur die zählen, die biologisch von diesen Vorfahren abstammen: 1. Nellie Yumbeina, 2. Queen Susan von Welltown, 3. Jack Noble, 4. Sally Murray, 5. Susan, Mutter von Duncan Daniels und 6. Jack und James Armstrong. Sie sind im 19. Jahrhundert geboren, genaue Daten sind meist unbekannt.