Ancestry: Wichtige Änderung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Am 3. August 2021 flatterte Kunden der Genealogie-Plattform Ancestry eine Mail mit dem Betreff “Wir haben unsere Datenschutzerklärung aktualisiert!“ ins Postfach; im Text ist dann aber auch von den “Allgemeinen Geschäftsbedingungen” die Rede, die man ebenfalls jedes Jahr prüfe und aktualisiere. Aufhorchen ließ das Datum, zu dem alle Neuerungen in Kraft treten sollten: am 3. August 2021. Es gab keine Vorlaufzeit, in der sich Kunden etwa hätten informieren und ihre weitere Mitgliedschaft hätten überdenken können – es wurden Fakten geschaffen.
Judy G. Russell, Juristin, Genealogin und Betreiberin des Blogs „The Legal Genealogist“ hat gleich den entscheidenden Punkt erkannt – wobei der allerdings von Ancestry am 6. August nochmal ergänzt wurde, aber ohne Änderung der Gültigkeit dieser neuen Geschäftsbedingungen ab 3. August. Mit geeigneter Software (wir empfehlen DeepL.com) kann man sich Judy Russels Original-Beiträge leicht übersetzen lassen.
In der folgenden Passage aus der deutschen Version der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Abschnitt 2.2.3, sind die neu eingefügten Wörter fett markiert: Indem Sie vom Benutzer bereitgestellte Inhalte über einen der Dienste übermitteln, gewähren Sie Ancestry darüber hinaus eine zeitlich unbegrenzte, unterlizenzierbare, weltweit gültige, unwiderrufliche, gebührenfreie Lizenz…
Am 6. August fügte Ancestry hinzu: „Ungeachtet der unwiderruflichen und zeitlich unbegrenzten Art dieser Lizenz endet diese, sobald Ihre vom Benutzer bereitgestellten Inhalte aus unseren Systemen gelöscht werden. Beachten Sie bitte, dass in dem Umfang, in dem Sie Ihre vom Benutzer bereitgestellten Inhalte als „öffentlich“ einstufen und in dem diese von anderen Benutzern in den Diensten kopiert oder gespeichert werden, die Lizenz erhalten bleibt, bis die Inhalte sowohl durch Sie als auch durch die anderen Benutzer gelöscht wurden.“
Das alte Problem: so genannter „Datenklau“
Diese Ergänzung berührt ein immer wieder beklagtes Problem mit genealogischen Daten im Internet, egal ob in kommerziellen oder nicht-kommerziellen Datenbanken oder auf privaten Webseiten – häufig als „Datenklau“ bezeichnet: A veröffentlicht Daten, z.B. bei Ancestry (oder MyHeritage) als „öffentlichen Baum“, so dass B sie ohne Rücksprache übernehmen kann. Es wird also nichts gestohlen.
Aber wenn A und B gemeinsame Vorfahren haben, sollte B Kontakt aufnehmen, so dass sich die beiden über ihre Forschung austauschen können? Geschieht das nicht, weiß A womöglich nicht, dass B diese Daten verwendet. Und wenn A etwas korrigiert oder ergänzt, bleiben die von B übernommenen Daten unverändert (fehlerhaft), wenn B nicht aufmerksam ist – oder sich gar nicht mehr um den Stammbaum kümmert.
Allerdings gibt es die Möglichkeit, die Daten als „privaten Baum“ auf Ancestry zu verwalten. Solche Daten erscheinen in den Suchergebnissen nur als Hinweis. Wer gern weitere Informationen hätte, muss eine Nachricht mit Bitte um Einsichtnahme schreiben. Judy Russell meint dazu: „Damit ist die wichtigste Frage geklärt, die in Fragen an diesen Blog widerspiegelte: … Solange die Materialien nicht öffentlich sind und geteilt werden, erlischt mit dem Löschen des Inhalts die Ancestry erteilte Lizenz.“
Was tun? Wer den Zugriff auf die eigenen Daten nicht verlieren möchte, muss sie „privat“ halten
Wer Ancestry nutzen möchte, um auf der Grundlage der schon erforschten eigenen genealogischen Daten Hinweise auf weitere Quellen oder Forschungsergebnisse anderer Nutzer zu bekommen, muss sich bewusst sein, dass Daten in „öffentlichen Stammbäumen“ von anderen Nutzern übernommen werden können. Und dass sie ebenso wie Fotos, Dokumente oder was immer man im Stammbaum speichert und freigibt, den oben beschriebenen Geschäftsbedingungen vom 3. bzw. 6. August unterliegt.
Wer das nicht möchte, hat zwei Möglichkeiten. Erstens: In öffentlichen Bäumen nur Daten zu verwenden, bei denen das keine Rolle spielt – die etwa in Ancestry oder anders wo ohnehin frei zugänglich sind. Ob man Fotos von Vorfahren veröffentlicht, sollte man genau überlegen. Die zweite Möglichkeit ist ein „privater Stammbaum“. Man kann aus einem öffentlichen auch nachträglich einen privaten Stammbaum machen. Aber für Daten, die andere Nutzer bereits übernommen haben, gelten die Regelungen der neuen Geschäftsbedingungen.
Renate Ell/Doris Reuter