Zeitschrift “osteuropa” erinnert an deutsches Massaker von Babyn Jar (Ukraine)
Es war kein “sauberer” Krieg. Das haben wohl auch unsere Väter oder Großväter, die daran teilgenommen haben, nur selten behauptet. Der Zweite Weltkrieg in Osteuropa, der vor 80 Jahren mit dem “Unternehmen Barbarossa” begann, war ein Vernichtungskrieg. Die Zeitschrift “osteuropa”, die von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) e.V. herausgegeben wird, erinnert in der aktuellen Ausgabe an ein besonders dunkles Kapitel des so genannten Ostfeldzuges, die Massaker an ukrainischen Juden in Babyn Jar.
Die Ermordung der Kiewer Juden
“Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 besetzte die Wehrmacht bis Oktober 1941 fast die gesamte Ukraine. Die Schlacht um Kiew hatten die Deutschen bereits Mitte September für sich entschieden. In der Stadt selbst begannen Einsatzgruppen sofort mit der Erfassung der jüdischen Einwohner. Am 27. September 1941 fand eine Besprechung über die “Evakuierung” der jüdischen Bevölkerung statt. Daran nahmen neben dem Ortskommandeur von Kiew unter anderem auch Wehrmachtsoffiziere, Angehörige der Sicherheitspolizei, der Geheimen Feldpolizei und der Einsatzgruppe C teil. Der Höhere SS- und Polizeiführer im rückwärtigen Heeresgebiet Süd, Friedrich Jeckeln (1895-1946), der Befehlshaber der Einsatzgruppe C, Emil Otto Rasch (1891-1948), sowie der Befehlshaber des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C, Paul Blobel (1894-1951), beschlossen, die Kiewer Juden zu ermorden. Mit der Durchführung wurde das Sonderkommando 4a beauftragt.
Auf Plakaten wurden die Kiewer Juden aufgefordert, sich zu Umsiedlungsmaßnahmen einzufinden. Dem Befehl folgten über 30.000 Menschen, die zur außerhalb der Stadt gelegenen Schlucht Babi Jar getrieben wurden. Dort mussten sie Papiere, Gepäck sowie Wertgegenstände abgeben, sich vollständig ausziehen und sich in Zehnergruppen an den Rand der Schlucht stellen. Dann wurden sie niedergeschossen. In Babi Jar ermordete das Sonderkommando laut einem Einsatzgruppenbericht am 29. und 30. September 33.771 Juden. In den folgenden Monaten wurden dort Tausende weiterer Juden erschossen. Auch als “Zigeuner” verfolgte Menschen und sowjetische Kriegsgefangene zählten zu den späteren Opfern. Insgesamt wurden nach Untersuchungen der sowjetischen Staatskommission in Babi Jar rund 100.000 Menschen ermordet.
Im Juli 1943, während des deutschen Rückzugs, sollten die Spuren des Massenmords verwischt werden. Polizeieinheiten der Sonderkommandos ließen Insassen eines nahe gelegenen Lagers die Leichen ausgraben und verbrennen.”
(Quelle: Heinke Lang © Deutsches Historisches Museum, Berlin15. Mai 2015 Text: CC BY NC SA 4.0)
Das größte Einzelmassaker des Zweiten Weltkriegs auf europäischem Boden haben deutsche Polizisten, SS-Männer, Wehrmachtsangehörige und einheimische Milizionäre unmittelbar am Rande einer Großstadt verübt – in einem Außenbezirk von Kiew. Das Gelände von Babyn Jar, übersetzt „Altweiberschlucht“, liegt nur vier Kilometer Luftlinie westlich des Hauptbahnhofs der ukrainischen Hauptstadt. Hier erschossen sie im September 1941 binnen zweier Tage mehr als 33.000 Juden und ermordeten in den folgenden zwei Jahren Tausende weitere Menschen.
Auf der Karte ist das Gelände von Babyn Jar mit dem schwarzen Mahnmal-Zeichen markiert.
“Babyn Jar – Der Ort, die Tat und die Erinnerung”
Inhalt von “osteuropa” 1-2/2021:
- Editorial: Umkämpfte Erinnerung
- Bert Hoppe: Babyn Jar – Massenmord am Stadtrand [Volltext als Datei (PDF, 2.396 kB)]
- Franziska Davies: Babyn Jar vor Gericht – Juristische Aufarbeitung in der UdSSR und Deutschland
- Karel C. Berkhoff: Aussage in der Heimat der Täter – Dina Proničeva im Callsen-Prozess
- Aussage der Zeugin Dina Proničeva, Kiew – Abschrift eines Auszugs aus dem Protokoll des Darmstädter Prozesses
- In der Grube den Fangschüssen entkommen – Erste russische Zeugin berichtet im Kommando-Prozeß über das Massaker bei Kiew, Darmstädter Echo, 30. April 1968
- Vladyslav Hrynevyč: Umkämpftes Geschichtsgelände – Babyn Jar als ukrainischer Erinnerungsort
- Yohanan Petrovsky-Shtern: Ein Tag, der die Welt veränderte – Ukrainer, Juden und der 25. Jahrestag von Babyn Jar
- Ivan Dzjuba: Wider den Hass – Rede zum 25. Jahrestag des Massakers von Babyn Jar
- Darija Bad’jor: Streit um Babyn Jar – Gedenkzentrum oder Holocaust-Disneyland
- Dorothea Redepenning: Töne der Erinnerung – Musikalische Deutungen von Babij Jar
- Katja Petrowskaja: „Nach dem Massaker kam das Schweigen“ – Ein Gespräch über Babyn Jar, das Familiengedächtnis und die Hürden der Erinnerung
- Kateryna Botanova: Ein Ort der Abwesenheit – Serhij Bukovs’kyjs Film Spell Your Name
- Sonja Margolina: Ein Grab in den Lüften – Hommage an Anatolij Kuznecov
Weitere Quellen zu Babyn Jar im Netz:
– Lebendiges Museum Online (LEMO) Die Massenmorde von Babi Jar 1941
– Das Gedenkstättenportal der für die ermordeten Juden Europas mit dem Beitrag zu Babyn Jar
– Spiegel Ich fiel auf Leichen
– WELT Das Massaker von Babi Jar 1941
– Deutschlandfunk Kultur Erinnerungskultur in der Ukraine – Jede Stadt hat ihr eigenes Babyn Jar
– Deutschlandfunk Kultur Gedenken an Babij Jar – Historiker identifizieren 900 unbekannte Opfer
– Deutsche Welle Symbolische Synagoge bei Kiew eröffnet
– Deutsche Welle Babyn Jar: Gedenken an ein dunkles Kapitel
– NZZ Holocaust mit Kugeln
– JÜDISCHE ALLGEMEINE Metro in Babyn Jar
– Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Mapping Memories Babyn Jar and other “forgotten” sites of the Holocaust – Opening and Welcome
und viele andere mehr…
Hinweis der Blog-Redaktion: Dieser Beitrag wird auf discourse gespiegelt.
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