Neujahrsgruß aus der Kriegsgefangenschaft
“Zum Jahreswechsel meine herzlichsten Grüsse. Möge es Euch mehr Glück als das Alte und mir die Freiheit bringen.
Euer Bernhard“
Auch wenn dieser Kartenwunsch für manche am Ende des Jahres 2020 passend sein dürfte, und auch wenn einzelne Politikerinnen und Politiker wegen der Corona-Pandemie die schlimmsten Feiertage “seit Kriegsende” beschwören, so sollten wir nicht vergessen, dass viele unserer Vorfahren ein schweres Schicksal zu meistern hatten.
CompGen-Mitglied Michael Doerfel hat uns die Neujahrskarte seines Onkels von 1946 zugeschickt und mit einer Schilderung des Schicksals von Bernhard Doerfel und seiner Familie ergänzt. Mit seiner Zustimmung veröffentlichen wir hier seine Schilderung.
Diesen Neujahrsgruß schrieb mein Onkel Bernhard Doerfel Weihnachten 1946 an seine Eltern. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Bernhard in einem belgischen Kriegsgefangenenlager und musste in einer Kohlengrube arbeiten. Kurz vor Weihnachten 1946 konnten die Eltern über den Suchdienst des Roten Kreuzes Kontakt zu Bernhard aufnehmen.
Onkel Bernhard wurde am 8. Juni 1925 als dritter Sohn des Lehrers Max Doerfel und seiner Frau Ottilie, geb. Pollok in Wartha Kreis Frankenstein in Schlesien geboren. Es hieß, Bernhard habe sich als 17-Jähriger freiwillig zu den Fallschirmjägern gemeldet. Im September 1944 war er noch zu einem zweiwöchigen “Erholungsurlaub” bei seinen Eltern in Wartha, wie sein Bruder zu Weihnachten 1944 schrieb. Heiligabend 1944 wurde Bernhard mit seiner Einheit per Zug an die Westfront nach Holland verlegt, wo er in den Kämpfen um Nimwegen und zur Verteidigung des Ruhrgebietes eingesetzt wurde.
Die Such- und Benachrichtigungskarte der Eltern, übermittelt vom Internationalen Roten Kreuz
Meine Großeltern mussten mit vier ihrer neun Kinder im April 1945 aus ihrer schlesischen Heimat fliehen. Die älteren drei waren bereits aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und standen in Kontakt, bzw. haben die Eltern in Darup besucht. Bernhard war Fallschirmjäger und kam am 1. April 1945 in der Nähe von Recklinghausen in englische Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1945 wurde er mit weiteren Kriegsgefangenen an Belgien weitergereicht, dort mussten sie in den belgischen Kohlengruben arbeiten. Bernhard wurde erst im Frühjahr 1947 entlassen. Später wurde er in den Polizeidienst eingestellt. Er verstarb als Kommissar im November 1969 in Münster.
Michael Doerfel