Der Mohr muss weg!
“Die Mohrenstraße soll umbenannt werden!” – So die Forderung von Menschenrechtsaktivisten, die immer wieder neu erscheint, jetzt wieder in neuen Petitionen, die an verschiedenen Orten Änderungen fordern. Jetzt nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd durch Polizisten in den USA erst recht. In Berlin soll neben der Straße auch der U-Bahnhof Mohrenstraße umbenannt werden. Die geplante Umbenennung in “Glinkastraße” geriet zur Posse, weil der russische Musiker ein bekennender Antisemit war. Die Berliner Mohrenstraße trägt den Namen seit etwa 1700. “Die Benennung erfolgte nach einem Besuch einer Delegation afrikanischer Repräsentanten, die im Jahre 1684 vier Monate in einem Gasthaus vor den Toren Berlin einquartiert war. Die Delegation aus der brandenburgischen Kolonie Großfriedrichsburg (dem heutigen Ghana) stand unter der Leitung des Häuptlings Janke…” So die Informationen in Kauperts Straßenführer durch Berlin. Falsch, sagt Christian Kopp, Historiker bei Berlin Postkolonial e.V., der sich mit kolonialrassistischer Geschichte und Gegenwart beschäftigt. Schwarze Afrikaner waren schon immer am preußischen Hof. Der Große Kurfürst hielt sich Hof-, Leib- und Kammermohren für Repräsentationszwecke. Er ließ die bis heute erhaltene Festung Groß Friedrichsburg an der Küste Ghanas erbauen. Auf den Schiffen der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie wurden knapp 20.000 Menschen in die amerikanische Plantagensklaverei verschleppt.
Anderswo ist die Geschichte der Mohrenstraße anders: In Fürth wurde sie in den 1820er Jahren nach der Mohrenapotheke benannt, die sich auf der Straße befand. Also nun auch alle Mohrenapotheken im Land umbenennen? Es gibt fast 100 Mohrenapotheken in Deutschland. In Köln haben Spaßvögel die Mohrenstraße (in der Nähe von St. Gereon) umbenannt in Möhrenstraße. Keine gute Wahl, für Apotheken mag das noch angehen. Hier wird der heilige Gregorius Maurus verehrt, nach dem die Straße benannt ist. Er wurde der Legende nach mit seinen Gefährten der thebäischen Legion unter Maximinian um 304 in Köln als Martyrer hingerichtet. Die Trierer sagen, die Hinrichtung war in Trier. Sein Grab soll neben dem des Stadtpatrons Gereon in der Kirche St. Gereon liegen. Mohr ist die deutsche Version des lateinischen Maurus. Unter diesem Namen gibt es gleich mehrere Heilige. Oder Maurinus, ebenfalls ein in Köln verehrter Heiliger Abt aus dem 10. Jahrhundert, dessen Sarg in St. Pantaleon zu bewundern ist. Auch der heilige Mauritius (französisch: Maurice, deutsch: Moritz) soll aus Nordafrika stammen und als Offizier der thebäischen Legion als Märtyrer gestorben sein.
Ganz schlimm steht es um das Stadtwappen von Coburg, dort gibt es natürlich auch eine Mohrenapotheke in der gleichnamigen Straße. Zum Glück muss die Moritzkirche nicht umbenannt werden. Ein richtiger schwarzer Mohrenkopf auf goldenem Grund ziert das Wappen der Stadt, das in der Form auf Münzen oder Beschauzeichen der Zinngießer bereits im 14. und 15. Jahrhundert auftaucht, 1521 auch im Stadtsiegel. Auch für Coburg gilt der heilige Mauritius als Schutzpatron der Stadt. Der deutsche Kaiser Otto I. erhielt bei seiner Heirat 951 von seinem Schwiegervater König Rudolf II. von Burgund Reliqien des heiligen Mauritius für den Magdeburger Dom. Der Heilige wurde zum Schutzpatron der deutschen Kaiser.
Coburg ist nicht allein mit dem Mohren im Wappen. Der Mohr ist in vielen Wappen vertreten. Auch Papst Benedikt XVI. führt ihn wie Kardinal Döpfner und andere Kardinäle. Der gekrönte Mohr des Hochstift Freising kommt in fast allen Ortswappen vor, die früher zu den Freisinger Besitztümern bis in die Steiermark und Slowenien gehörten. Die Stadt Möhringen an der Donau (heute Teil von Tuttlingen) führt einen weiblichen Mohren im Wappen. Beim Stuttgarter Stadtteil-Wappen von Möhringen ist seit dem 19. Jahrhundert ebenfalls ein Mohrenkopf enthalten, angeblich ein Versehen beim Entwurf. In einer Petition wird vorgeschlagen, den Kopf durch eine Möhre zu ersetzen, weil diese genau so wenig mit der Wortherkunft Möhringens zu tun hat wie schwarze Menschen. Adlige Familien und Patrizierfamilien aus Nürnberg und München haben Mohr und Mohrin in ihre Zeichen aufgenommen. Der Mohr in der Heraldik ist allgegenwärtig, vielleicht war es auch in früheren Zeiten mal chic, einen Mohr im Wappen zu zeigen, besonders wenn man selbst auch noch Mohr hieß. Was soll die Mohren-Brauerei (1784 von Josef Mohr gegründet) in Vorarlberg tun? Das Bier vielleicht in Möhren-Bräu umbenennen? Nein, das wollen die Besitzer sicher nicht. Aber sie denken noch nach. Interessant ist zu lesen, was zwei Diplomandinnen bereits 2009 über “die Bedeutung der Mohrenbrauerei in Bezug auf Rassismus und ihre Repräsentation und Rezeption in Vorarlberg aus kultur- und sozialanthropologischer Perspektive” geschrieben haben. Titel: “Es ist eben mehr als nur ein Logo”.