Blogs kurz vorgestellt: Irmi Gegner-Sünklers „Genealogie-Tagebuch“
Mit dem Medium Blog hat auch die Genealogie eine digitale Kommunikationsform gewonnen, mit der es möglich ist, Informationen, Nachrichten und Meinungen auf einfache Weise papierlos zu publizieren. Familienforscher und Genealogische Vereine können damit neben oder statt herkömmlicher gedruckter Mitteilungen und Abhandlungen ihren Adressatenkreis schnell, kostengünstig und flexibel erreichen.
Irmi Gegner-Sünklers Genealogie-Tagebuch beginnt Anfang 2007, und schon der zweite – im Monats-Archiv Februar zu findende – Beitrag beginnt mit einem wunderbaren Satz: „Manchmal … schwirrt mir der Kopf, wenn ich darüber nachdenke, dass es all meine Ahnen wirklich gegeben hat – dass sie vor hunderten von Jahren tatsächlich gelebt haben mit all ihren Sorgen und Freuden – in so vielen kleinen Orten – in […]“
Wo man ihren Blog auch aufblättert – ja es ist tatsächlich so, als wenn man in einem Buch blätterte – findet man liebevoll verfasste Miniaturen, immer mit einer natürlichen Empathie geschrieben. Und schließlich fügt sich Schritt für Schritt, Beitrag für Beitrag alles zu einer Familiengeschichte zusammen, in deren Mittelpunkt neben der norddeutschen Heimat vor allem das Gebiet Natangen in Ostpreußen – speziell der Kreis Preußisch Eylau – steht.
Ich blättere einfach einmal (22. Mai 2011): „Sie hatte kein leichtes Leben, meine Urgroßmutter Elisabeth Haesloop. Das wird ganz deutlich, wenn ich mir in Ruhe alle Informationen ansehe, die ich über sie gesammelt habe. […] Elisabeth Haesloop ist 15 Jahre alt, als ihr Vater durch einen Unglücksfall ums Leben kommt – er ertrinkt bei der Ausübung seines Berufs in der Weser. Die Mutter bleibt mit drei Kindern zurück und es werden Vormundschaftsregelungen getroffen […]“
Die Autorin verwendet auch Darstellungstechniken, die Familiengeschichte dadurch anschaulich machen, dass zum Beispiel zwei ähnliche Ereignisse aus ganz verschiedenen Orten und Familien parallel erzählt werden. Häufig findet sie dafür auch von Inhalt und sprechender Überschrift durchaus Aufmerksamkeit heischende Themen. Wie zum Beispiel (10. Okt. 2016) “Todtgeschossen mit einer Kugel durch den Kopf”.
Alle Beiträge bezeugen intensives Quellenstudium. Und zu diesen Quellen gehören neben Fotos unter anderem auch Anzeigenseiten historischer Zeitungen. Und dann lässt Irmis Vorstellungskraft einen kleinen Knirps, vom Großvater begleitet, in die Kreisstadt fahren, einen Einkaufszettel der Mutter dabei, um … ja, nur um uns schöne Anzeigen der damaligen Zeit für Brandt-Kaffee, Omnibus-Plan, für Backwaren, Uhren und Gelegenheitskäufe zu präsentieren.
Wenn man die informative Schlagwortwolke dieses Blogs durchsieht, stößt man unter anderem auf interessante Biographien, unter Todesursachen auf die schöne Vermutung zum Gänse-Saufen, auf Ergebenheitsfloskeln in historischen Dokumenten, Spaziergänge über Friedhöfe und vieles andere mehr. All das begegnet eigentlich jedem Familienforscher, der in Archiven forscht, die Heimat seiner Vorfahren besucht und sozialgeschichtliche Hintergründe zu verstehen versucht. Allerdings lassen wir das manchmal unbeachtet. Irmi aber verarbeitet auch die kleinen Details und fügt sie ihren Recherchefrüchten, Ergebnisse von Forschungsreisen, Fotos und Bildern und allem, was ihr an relevantem Material begegnet, so hinzu, dass nach und nach ein kleines Universum ihrer Familiengeschichte entsteht.
Wir alle wissen, wie schwer es ist, das Leben unserer Vorfahren ohne vorhandene Ego-Dokumente zu rekonstruieren. Es wird nie ganz gelingen können. Aber wir können eine Annäherung versuchen. In diesem Sinne versucht die Autorin, ihren Vorfahren mit ihren Blog-Artikeln im Nachhinein soviel Leben wie nur möglich ‘einzuhauchen’. Ihre Ahnen sind für sie nicht nur Kekulé-Nummern, die zu einem Stammbaum zusammengefügt werden wollen. Sie versucht immer auch die individuellen Lebensumstände und Lebensbedingungen der Personen zu beleuchten und zeigt auf diese Weise, dass sich die Beschäftigung mit genealogischer Forschungen nicht auf das Sammeln von Namen und Daten beschränken muss.
Irmi Gegner-Sünkler hat ihren Blog mit einem minimalen Layout ausgestattet. Die übersichtliche Navigation, Schlagwortwolke und Monatsarchiv tun ein Übriges, um mit Leichtigkeit und Freude in ihrem Genealogie-Tagebuch zu blättern. Wenn ich Familienforschern eine Empfehlung für eine sich nach und nach entwickelnde Familiengeschichte geben darf, dann zögere ich nicht, Irmis Blog als Vorbild vorzuschlagen.
Anmerkung der Redaktion: In einer Serie stellen wir in unregelmäßigen Abständen ein Blog vor, das genealogischen, historischen oder archivischen Themen gewidmet ist. Haben Sie einen Vorschlag? Dann schreiben Sie uns an news@genealogy.net.