Tod in Batavia
Angeregt durch das DES-Projekt Kartei Leipziger Familien und ermuntert durch einige schöne Funde im digitalen Raum, hatte ich mir vorgenommen, mein Projekt für eine Leipziger Familienlinie zu aktualisieren und anzureichern. Einiges davon würde dann in einen Aufsatz oder vielleicht sogar ein Buch münden. Weitere Funde in digitalisierten Zeitungen und sonstigen online zugänglichen Dokumenten verstärkten diese Idee. Dafür würden die gesammelten Familiengrunddaten, erweitert um die im Netz gefundenen guten Ergänzungen, ausreichen. Tiefer gehende Informationen wären ohnehin nicht mehr zu erwarten. So nahm ich an.
Über das Internet ins Archiv
Und dann überraschte mich das Archivportal-D wieder einmal mit Neuem, korrespondierte ich erfolgreich mit Archiven und komme nun gerade mit umfangreichen Funden aus dem Stadtarchiv Leipzig zurück. Was war passiert?
Das Archivportal-D – das zentrale Archivportal in Deutschland – listet eine Reihe von Archivalien der teilnehmenden Archive auf. Als Portal weist es den Weg zurück in das liefernde Archiv und dort zu den Findmitteln der jeweiligen Bestände. Die mitgelieferte Signatur erleichtert den Kontakt mit dem Archiv. Aber nun ein wichtiger Schritt: Da viele Beteiligten mit der Digitalisierung der Findmittel erst am Anfang stehen, liegt die Vermutung nahe, es könne darüber hinaus weiteres Material geben. Auf meine anfragende Bitte erhielt ich kurzfristig mehr als eine DINA4-Seite mit Signaturen und dazugehörigen Erschließungshinweisen. Die umfangreichen Beschreibungen ließen Weiterkommen in meiner Forschung wahrscheinlich erscheinen. Ein dickes Dankeschön nach Leipzig!
- Meine Schritte Besuch anmelden, Aushebewünsche per Mail übermitteln und Logistik organisieren waren dann rasch getan.
- Das vorgelegte Material war vom Umfang beeindruckend. Darunter sich über Jahre hinziehende Nachlassfälle jeweils im Umfang mehrerer Bände bis zu zweihundert Jahre alten Papiers. Es ist klar, dass solche Unterlagen wohl nie digitalisiert werden.
- Im Archiv angenehme Arbeitsatmosphäre. Großer für 35 geräumige Arbeitsplätze ausgelegter Lesesaal etwa zu einem Viertel belegt. Arbeitskopien dürfen per Smartphone oder Kamera gemacht werden. Reproduzierbare Scans können natürlich kostenpflichtig hergestellt werden.
Überraschende Erkenntnisse
Und was bringt man nach zwei langen Archivtagen mit nach Hause? Als Antwort muss ein Kurzbericht zu einem Teilausschnitt der mitgebrachten Forschungsfrüchte genügen: Da für ihn und seine Frau bei dem Erstellen einer Ahnenliste kein Todesdatum ermittelt werden konnte, galt für den Stammvater der Leipziger Familie, einen Händler, ein dreiviertel Jahrhundert lang die Aussage des damaligen Leipziger Oberbürgermeisters (in realiter wohl der befragten Standesbeamten), er sei nach Holland gegangen, wahrscheinlich zusammen mit seiner Frau. Es schien aussichtslos, hierzu weiterzuforschen. Nun findet sich aber in einer Verlassenschaftsakte aus dem Jahre 1787 sein Todesnachweis. Ein Schreiben der Ostindischen Handelskompanie bestätigt den sechs Jahre zuvor in einem Krankenhaus in Batavia, dem heutigen Jakarta, eingetretenen Tod. Das hört sich exotisch an und ist überraschend, bringt aber endlich Klarheit. Seine Frau war in Leipzig geblieben.
Nun ist das aber noch nicht alles. Diese Information erschüttert das Bild auf die nachfolgenden Generationen. Denn der später als erfolgreicher Düngemittelfabrikant in Leipzig anerkannte nachgelassene Sohn des in der Ferne Verstorbenen wurde nachweislich 12 Monate nach dessen Tod unter seinem Familiennamen geboren. Wow!
Bricht damit nun ein bisher gut erforschter Familienzweig einfach weg? Meine Meinung dazu ist klar, aber ich lasse die Frage jetzt einmal offen. Das Thema wird ja im Kreis der CompGen-Mitglieder gerade kontrovers diskutiert.
Worauf es ankommt
Zurück nach Leipzig. Dieser und weitere Funde erweitern und verändern die geplante Familiengeschichte. Letztlich wird ihre Substanz durch Vielfalt der Quellentypen reicher. Konventionell zusammengetragene Lebensdaten (Geburt, Heirat, Tod) bleiben das Grundgerüst. Sozialgeschichtliche Ereignisse aus analog und digital zugänglicher Literatur bereichern das Bild. Immer besser digital erschlossene Quellen erleichtern die Forschung. Aber nichts kann eine Forschungsreise ins Archiv ersetzen.