Geheime Archive? Offene Archive!
Das Vatikanische Geheimarchiv ändert seinen Namen und heißt in Zukunft Vatikanisches Apostolisches Archiv. Darüber berichtete Vatican News vor wenigen Tagen. Umgesetzt ist die Namensänderung allerdings noch nicht: Auf der Webseite des Archivs ist dieses weiter als Archivum Secretum Vaticanum zu finden.
Entscheidender als sein Name ist allerdings die faktische Zugänglichkeit eines Archivs. Für die staatlichen Archive in Deutschland ist der Zugang in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder geregelt. In der Regel ist das Archivgut (mit Ausnahme von personenbezogenen Unterlagen) spätestens 30 Jahre nach seiner Entstehung zugänglich. Wie abhängig die historische Forschung, ob privat oder wissenschaftlich-institutionell, von rechtlichen Regelungen zur Zugänglichkeit von Archivgut ist, verdeutlicht der (im Jahr 2005 erschienene) Beitrag “Im Reich der Unsicherheit?” von Brunello Mantelli über den Zugang zu italienischen Archiven.
Im Vatikan jedenfalls ist der Zugang auch nach der Umbenennung sehr restriktiv geregelt:
“In accordance with a practice established in 1924, the pope grants free access to the documents «grouped into pontificates» currently running up to the end of the papacy of Pope Pius XI (February 1939). Nevertheless, Paul VI departed from this practice and granted scholars access to the Archives of the Second Vatican Council (1962-1965) after the Council came to a close in 1965; Pope John Paul II granted access to the fond Ufficio Informazioni Vaticano, Prigionieri di Guerra (Prisoners of War) (1939-1947); lastly, the fonds Commissione Centrale per l’Arte Sacra in Italia (1924-1989) and Censimento degli Archivi Ecclesiastici d’Italia (1942) have been made accessible to the scholars.” (Zitat von der Website des Archivs, Stand 07.11.2019).
Da wird schon als großer Fortschritt gewertet, dass die Akten aus dem Pontifikat Pius XII. bis zu dessen Tod 1958 ab März 2020 für die Forschung freigegeben werden sollen.
Deutliche Kritik gibt es auch an dem unzureichenden Zugang zu Akten in katholischen Kirchenarchiven im Zuge der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen durch katholische Geistliche in Deutschland. So berichtete Die ZEIT über “das Blockieren einer unabhängigen Einsicht in die vorhandenen Bistumsakten”. Hier zeigt sich deutlich, welch hohe Relevanz die Zugänglichkeit von Archivgut für die Rekonstruktion biographischer und familiengeschichtlicher Ereignisse und Entwicklungen hat.
Gerade für Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend durch Übergriffe traumatisiert wurden, ist es wichtig, dass der Zugang zu dokumentierenden Quellen nicht “erkämpft” werden muss und Archive als offene Einrichtungen wahrgenommen werden können. Als positive Beispiele für hilfreiche archivische Angebote sei der Rechercheführer Heimerziehung des Landesarchivs Baden-Württemberg genannt; Informationen zur Überlieferung von Jugendwerkhöfen in der DDR bietet das Sächsische Staatsarchiv.